Kaum ein anderer Film über den israelisch-palästinensischen Konflikt hat bislang international so viel Aufsehen erregt wie die preisgekrönte Dokumentation »No Other Land«. Sie erzählt ungeschminkt wie aufrichtig die Geschichte einer Gemeinde im Westjordanland unter israelischer Besatzung.
Seit Basel Adra denken kann, überfallen israelische Soldaten täglich sein Dorf. Aufgewachsen ist er in Masafer Yatta, einer Ansammlung mehrerer palästinensischer Ortschaften südlich von Hebron. Basel erlebt bereits im Kindesalter sowohl die Brutalität des israelischen Militärs als auch den Widerstand der Dorfbewohner mit. »Ich bin in einem Haus voller Aktivisten groß geworden«, erzählt der junge Palästinenser.
Aufgrund des von Israel verhängten Bauverbots und dessen gewaltsamer Durchsetzung fehlt es Masafer Yatta an allen grundlegenden Einrichtungen – doch die Bewohner des Dorfes lassen sich davon nicht einschüchtern und so wird gesamte Alltag von Masafer Yatta zum Akt des Widerstandes. Heimlich bauen sie die erste Schule im Dorf und protestieren tagtäglich gegen die repressive israelische Politik.
Als das israelische Militär infolge eines Gerichtsbeschluss nach Masafer Yatta einrückt, um sämtliche Häuser für die Errichtung eines Militärstützpunkt abzureißen, entschließt sich Basel Adra dazu, diesen Kampf mit der Kamera zu dokumentieren: Dabei erhält er Unterstützung von Yuval Abraham, einem israelischen Journalist, der fließend Arabisch spricht und über Adras Dorf berichten möchte. Auf die Frage, warum er sich für die Besatzung interessiert, antwortet er: »Es interessiert mich, weil das alles in meinem Namen passiert«.
Über die folgenden fünf Jahre der Zusammenarbeit entwickelt sich eine enge Freundschaft, die auch die zwei unterschiedlichen Lebensrealitäten gegenüberstellt – Basel Adras Leben unter der Besatzung und Yuval Abrahams Alltag, fernab von Checkpoints, Reisebeschränkungen und nächtlichen Razzien. Ein Unterschied, der sich schon in der vorgeschriebenen Farbe der Autokennzeichen manifestiert.
Erstmals feierte die Dokumentation ihre Premiere auf der Berlinale in diesem Jahr. Als bester Dokumentarfilm nominiert und auch vom Publikum mit rasendem Applaus geehrt, wurde »No Other Land« jedoch am nächsten Morgen als antisemitisch und israelfeindlich kritsiert. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) stellte sich deutlich gegen die Äußerungen von Adra und Abraham auf der Festbühne: »Berlin hat eine klare Haltung, wenn es um die Verteidigung der Freiheit geht. Das bedeutet auch, dass Berlin fest auf der Seite Israels steht«. Doch nicht alle politischen Vertreter der Bundesrepublik sahen das so. Steffen Seibert, Deutschlands Botschafter in Israel, sagte, dass die Anschuldigungen »schlichtweg falsch seien« und dass der Film eine »harte Realität« zeige.
Der Film, der seit dem 14. November hierzulande läuft, hatte es auch bei der zweiten Ausstrahlung in Deutschland nicht leicht. Yuval Abraham selbst äußerte sich entrüstet darüber, dass die Filmbeschreibung auf dem stadteigenen Portal www.berlin.de dem Film »antisemitische Tendenzen« unterstellt. Diese Wortwahl hat das Portal im Nachhinein zurückgenommen und sich entschuldigt. Andere Kinos weigerten sich, den Film überhaupt zu spielen, aus Angst vor Protestaktionen beider Seiten.
Abgesehen von den kontroversen Reaktionen bietet »No Other Land« neben einem Einblick in die ungeschminkte Realität der Besatzung im Westjordanland auch ein aufrichtiges Bild einer Freundschaft unter ungewöhnlichen Umständen, in der sich beide wünschen, in Frieden und Freiheit leben zu können.