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Ägyptischer Geheimdienstchef Omar Suleiman

Die rechte Hand des Raïs

Nachruf

Er ließ sich in der Sowjetunion ausbilden – und galt später als Intimus Washingtons. Er hatte Blut an den Händen – und wurde wichtigster Vermittler im Nahost-Konflikt. Omar Suleiman war die graue Eminenz hinter Mubarak. Nun ist er tot.

Die Ärzte der Cleveland-Klinik im Bundesstaat Ohio genießen bei arabischen Wortführern einen herausragenden Ruf: Neben dem koptischen Papst Shenouda III. waren auch Jordaniens ehemaliger König Hussein und der einstige saudische König Khalid bin Abdul-Aziz Al Saud häufig zu Gast – ebenso wie Omar Suleiman. Ägyptens ehemaliger Geheimdienstchef hatte seit Jahren Herzprobleme und ist nun im Alter von 76 Jahren in Cleveland verstorben, das vermeldete die staatliche ägyptische Nachrichtenagentur Mena sowie inzwischen die Nachrichtenagentur Reuters und der Satellitensender Al-Jazeera übereinstimmend.

 

Schnurbartträger mit Machiavelli-Instinkt

 

Kaum eine andere Persönlichkeit stand für den Unrechtsstaat Hosni Mubarak so sehr wie Omar Suleiman. Der Mann mit dem stets akkurat getrimmten Schnäuzer und den maßgeschneiderten Anzügen war die rechte Hand des gestürzten Raïs Hosni Mubarak, sein mit einem Machiavelli-Instinkt ausgestatteter Mephistopheles. Und verstand es Zeit seines Lebens, sich zum rechten Zeitpunkt auf die Seite des Gewinners zu schlagen. Suleiman stammt aus der oberägyptischen Stadt Kena, wo er entweder 1935 oder 1936 geboren wurde.

 

Von der Nilprovinz aus führte ihn sein Weg nicht nur auf die Schlachtfelder des Nahostkonflikts, sondern auch in die Hauptstadt Kairo, wo er Politikwissenschaften sowohl an der Cairo University, als auch an der Ain-Shams-Universität studierte. Später ging der junge Suleiman die Moskauer Militärakademie Frunse, erkannte in den 1980ern früh genug, dass der Sozialismus nicht siegen würde – und folgte dem Ruf des Westens, genauer: der USA. In Fort Bragg im Bundesstaat North Carolina war er Student der Elite-Schmiede der John F. Kennedy Special Warfare Center and School.

 

Karrierist mit Kontakten nach Washington und Jerusalem

 

1991 wurde er Chef des Militärnachrichtendienstes. Seit 1993 leitete er den gefürchteten Nationalen Geheimdienst – eine der wenigen Behörden, denen man effizientes Arbeiten nachsagte. 1995 wurde seine Treue zu Mubarak buchstäblich in Blei gegossen: Auf Suleimans Rat nahm der Präsident seine Panzerlimousine zum Gipfel der Afrikanischen Union in Addis Abeba mit. Attentäter feuerten auf den Konvoi, während Suleiman den Präsidenten in die Rückbank drückte.

 

Dadurch erlangte er Mubaraks uneingeschränktes Vertrauen, durfte Geheimverhandlungen zwischen Israel und Palästinensern leiten und übte Druck auf die Hamas aus, was ihn auch im Westen beliebt machte. Die US-Botschaft nannte die Zusammenarbeit mit dem Karrieristen Suleiman 2006 laut einer Wikileaks-Veröffentlichung »vielleicht das erfolgreichste Element« der amerikanisch-ägyptischen Beziehungen. Er pflegte auch eine enge Freundschaft zu Benjamin Ben-Eliezer, dem im Irak geborenen ehemaligen Verteidigungsminister Israels.

 

Technokrat des Terrors und charmanter Gesprächspartner

 

Es war Suleiman, der den Rücktritt Hosni Mubaraks verkündete – und es dennoch schaffte, sich seiner Verantwortung als Herr über zahlreiche Folterkammern nilauf, nilab zu entziehen. Monatelang war er mit Wissen des Militärs, das seine schützende Hand über ihn legte, wie vom Erdboden verschluckt. Bis er sich darum bemühte, selbst Präsident zu werden. Der Ausflug des Schattenmanns ins Rampenlicht war vergebens.

 

Im undurchsichtigen Ringen um die Frage, wer überhaupt für das Amt kandidieren dürfe, erklärte die Wahlkommission seine Bewerbung für ungültig, da er nicht die verlangte Anzahl von Unterschriften von Unterstützern aus 15 Provinzen vorgelegt hätte. Kaum zu glauben, dass der Perfektionist Suleiman, der Technokrat des Terrors gegen die eigene Bevölkerung war und zugleich ein charmanter Gesprächspartner beim Kartenspiel mit Freunden, dies nicht übersehen haben sollte.

 

Vielmehr ist von einem mit dem herrschenden Militärrat um Feldmarschall Tantawi besprochenen Schachzug auszugehen, mit dem Ziel Verwirrung zu stiften. Einzig: Die Wahrheit wird wohl nicht mehr ans Tageslicht kommen. Omar Suleiman wird sie mit in sein Grab nehmen. Er soll noch in den kommenden Tagen in Ägypten seine letzte Ruhe finden.

Von: 
Dominik Peters

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