Honigtopf im Wirtschaftswunderland

Was haben wir uns an ihm abgearbeitet, seit Recep Tayyip Erdoğan und seine AKP in der Türkei die Macht übernommen haben: sein Populismus, sein zuweilen aufreizend schlechtes Benehmen. Die Spannungen und Leidenschaften, die das Verhältnis zwischen der Türkei und dem Westen Europas schon seit Jahrzehnten – wenn nicht Jahrhunderten – begleiten, bringt er regelmäßig zur Entladung. Dann die Polemik um den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren.

Das Thema hob die vorige zenith-Ausgabe auf den Titel – ein Heft, das von manchen Lesern insgesamt als sehr türkeikritisch empfunden wurde. Es gibt also viel Anlass, sich über das zu ärgern und zu sorgen, was derzeit in der Türkei vor sich geht. Umso mehr genießen darf man dann aber auch ein unterhaltsames Kulturprogramm wie »Abenteuer Türkei«, das der Sender arte in der ersten Juniwoche zeigt: In fünf Teilen führt die Doku-Serie der Autorinnen Nadja Frenz, Sabine Howe, Claudia Wallbrecht neugierig, ästhetisch und nicht übermäßig kritisch durch die Regionen der Türkei.

Von der Ägäis bis an den Kaukasus, vom Euphrat bis zum alten Pontus-Reich am Schwarzen Meer begegnet man Brauchtum, Kunsthandwerk, Landwirtschaft und Landschaften und lernt dabei viele türkische Frauen kennen, die das »Wirtschaftswunderland«, so die Autorinnen, tatkräftig nach vorne bringen. Die Serie hat nicht den Anspruch, die politische Realität des Landes abzubilden oder dessen ökonomische Zukunft zu hinterfragen.

Aber es wird einem hin und wieder gewärtig, welche atemberauben- de kulturelle Vielfalt der Türkei überhaupt zugrunde liegt – trotz mannigfaltiger Versuche Ankaras, das Land buchstäblich zu uniformieren. Bei aller Kritik an den aktuellen Zuständen führt also nichts vorbei an einem schlichten Bekenntnis: Wir lieben dieses Land. Es ist aufregend und schön. Es irgendwann einmal als Teil von uns zu bezeichnen, danach müssten wir Europäer uns eigentlich die Finger lecken – wie nach dem Honig aus dem Dorf Yolkıyı in Folge 4 der Reihe.