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Durststrecke durch die Wüste

Durststrecke durch die Wüste

Feature

»Black Gold« hat das Potential für alles, was einen epischen Abenteuerfilm ausmacht. Doch trotz namhafter Darsteller und malerischer Kulisse wirkt Jean-Jacques Annauds neuer Streifen seltsam uninspiriert und reichlich vorhersehbar.

Irgendwo im Nirgendwo des Arabiens der 1930er Jahre. Nachdem Sultan Amar, gespielt von Mark Strong, im Kampf dem Emir Nesib (Antonio Banderas) unterliegt, muss er diesem seine beiden Söhne als Garant für den Frieden überlassen, Nesib zieht die Söhne seines Gegners wie seine eigenen auf: Der eine wächst zu einem stattlichen Mann heran, der andere, Prinz Auda (Tahar Rahim), hat mehr für Bücher übrig als für die Falkenjagd. Die Zone zwischen den beiden Reichen, der gelbe Gürtel, wird zum Niemandsland erklärt.

 

Als dann die Amerikaner in eben diesem Gebiet auf Öl stoßen, gerät das Mächtegleichgewicht in Gefahr. Emir Nesib, der seine Frau und große Teile seiner Gefolgsleute an die Cholera verloren hat, sieht im Geschäft mit den Amerikanern die Möglichkeit, sein Volk aus der Rückständigkeit zu führen und bricht das Friedensabkommen mit Sultan Amar: Das Öl spült den Reichtum in die Staatskassen Nesibs, der Wohlstand hält Einzug und der Konflikt ist vorprogrammiert. Nun müssen sich die beiden Söhne im Kampf ihrer (Zieh-)Väter positionieren und am Ende ist es an Prinz Auda, den Frieden zu retten und die Völker Arabiens auf den rechten Pfad zu führen.

 

Auch wenn die familiären Verstrickungen vielversprechend daherkommen, wirkt die Einführung in den Plot ein wenig lieblos. Fast so, als hätte Regisseur Jean-Jacques Annaud nicht die nötige Ruhe für die erste halbe Stunde gehabt. Überhastet wird eine romantische Spannung zwischen Prinz Auda und Nesibs Tochter Laila angedeutet, der die arabische Tradition schnell den Riegel vorschiebt. Auch das Abkommen zwischen den ölgierigen Amerikanern und Emir Nesib wird nur sporadisch legitimiert: Ein bisschen Gerede vom Reichtum und schon ist der Friedensvertrag mit Sultan Amar hinfällig: Das »schwarze Gold« fließt. 

 

Irgendwo im Treibsand der Wüste geht die Spannung verloren

 

Auch im weiteren Verlauf des Film ist die Argumentation oft verkürzt: Ein ums andere Mal muss die bedingungslose Hingabe zu Gott und dem Koran herhalten, wenn es an logischen Gründen für die nächste Etappe des Plots fehlt. Die Einbettung der Handlung in den Widerspruch zwischen Tradition und Moderne ist passend und angebracht, aber so offensichtlich inszeniert und in der personifizierten Sturheit der beiden Gegenspieler überspitzt, dass man der Leinwand beinahe ein »Ja, ich hab's verstanden!« zurufen möchte.

 

Statt der klassischen Heldenstory fungiert Prinz Auda in recht überzeugender Rolle als zentrale Figur der familiären Verstrickungen. Die Konsequenz daraus ist leider wenig überzeugend: Der sympathische Bücherwurm, der inzwischen aus taktischen Gründen von Emir Nesib mit Prinzessin Laila verheiratet wurde, wird als Bote des Friedens zu seinem Vater geschickt. Doch Nesibs Plan geht nicht auf und Prinz Auda schlägt sich nach etwas sülzigem Vater-Sohn-Dialog auf die Seite seines leiblichen Vaters.

 

So führt er eine Truppe von Sträflingen als Ablenkungsmanöver gegen Emir Nesib durch die Wüste und gelangt dabei von einem unwirklich wirkenden Nebenschauplatz zum nächsten. Eine nicht enden wollende Odyssee beginnt und irgendwo im Treibsand der Wüste geht die Spannung verloren. Erst als die ersten Gefechte zwischen Audas Truppen und den modernen Panzerfahrzeugen von Emir Nesib aufziehen, kommt die herbeigesehnte Action auf. Es folgen einige Scharmützel, in denen mehr oder weniger glaubhaft die Überlegenheit der traditionellen Kampfkraft demonstriert wird und Prinz Auda sich als geschickter Feldherr entpuppt.

 

Viel Klischee, wenig Atmosphäre

 

Etwas absurd wiederum wirkt die Legitimation, mit der der junge Prinz sämtliche Stämme der Wüste um sich scharrt und mit ihnen gegen seinen Ziehvater zieht. Er überlebt glücklich ein Attentat und wird plötzlich als Erlöser der Wüstenvölker gehandelt. Zu dem ins schier Unendliche heraus gezögerten Höhepunkt des Spannungsbogens steht Prinz Auda mit seiner Armee vor dem Toren der Stadt. Die darauf folgende dramaturgisch überfällige Endschlacht geht recht unspektakulär über die Bühne, Emir Nesib gibt sich geschlagen und da Sultan Amar in der Schlacht durch eine Verwechslung ermordet wird, ist Auda nun Herr über die beiden Reiche. Wieder mit Laila vereint, gesteht sie ihm, dass sie schwanger ist. Nach 130 langen Minuten Durststrecke durch die Wüste scheint die arabische Welt wieder in Ordnung.

 

Wäre »Black Gold«, wie man es von einem Film eines solchen Genres erwartet, voller epischer Schlachten, beeindruckenden Bildern und stimmungsvoller Musik, wäre sicherlich auch der inhaltliche Fleckenteppich stabiler geknüpft. Doch irgendwie will das arabisch-orientalische Flair nicht recht aufkommen und auch die nur mäßig überzeugende schauspielerische Leistung und die etwas zu unwirklichen Dialoge täuschen nur in wenigen Augenblicken über die Durststrecken des Spannungsbogens hinweg. Beim Griff in die Truhe voller Klischees ist wohl leider nur die Frage nach der Vereinbarkeit von Religion und Moderne hängen geblieben – die märchenhafte 1001-Nacht-Atmosphäre bleibt aus. So ist in »Black Gold« nicht alles Gold, was glänzt

Von: 
Jannik Veenhuis

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