Das verschlossene Sultanat Oman wirkt zum ersten Mal an einer Filmreihe über seine eigene Geschichte mit. Regisseur Friedrich Klütsch über die glorreichen, aber auch dunklen Seiten, den Umgang mit der Sklaverei und einen Skandal der Royals.
zenith: Herr Klütsch, die Geschichte des Oman ist ein Geheimtipp. Wer weiß schon, dass dieses kleine Land einmal die Ostküsten des Indischen Ozeans beherrschte – und Beziehungen nach Ostasien unterhielt. Nun verfilmen Sie die Geschichte des Landes in drei Teilen. Was ist den Omanern an ihrer eigenen Geschichte besonders wichtig?
Friedrich Klütsch: Den Omanern kommt es dabei darauf an, nicht als Beherrscher wahrgenommen zu werden. Sie waren es ja auch tatsächlich nur in sehr abgegrenzten Gebieten. Wir werden in unseren Filmen – und die meisten Historiker tun dies auch – die Omaner als erfolgreiche Seefahrer und Händler darstellen. Das Erfolgsrezept Omans, dieses Landes mit ein paar hunderttausend Menschen, bestand darin, für sich und ihre Handelspartner eine Win-Win-Situation herzustellen.
Wie genau sah das denn aus?
Die omanischen Seefahrer kannten keine kulturellen oder religiösen Barrieren. Handel trieben sie mit allen Anrainern des Indischen Ozeans. Sie kannten sich besser aus als ihre Konkurrenz. Die Baumwolle kam aus Afrika, genäht und gefärbt wurde in Indien, verkauft in China. Sie wurden auch von fast niemandem als Bedrohung wahrgenommen und hatten so eher Zugang zu fremden Märkten als etwa Perser oder Inder.
Wer heute an die omanische Geschichte denkt, dem fällt wohl zunächst die Nelkeninsel Sansibar ein, wo einst die omanischen Sultane herrschten. Zwischenzeitlich war die Insel Unguja ja sogar Hauptstadt des Reiches. Welche Orte auf Sansibar würden Sie Urlaubern empfehlen, die die omanische Geschichte erkunden wollen?
Das Sortieren und Verladen der Nelken im Hafen von Stonetown sollte man nicht verpassen, wenn man im August auf der Insel ist. Jetzt ist Erntezeit. Die Nelken hatte Sayyid Said bin Sultan aus der Busaid-Dynastie nach Sansibar gebracht, nachdem er Sansibar 1840 zu seinem Machtzentrum erkoren hatte. Unbedingt sehenswert ist das Palace Museum in Stonetown mit dem Friedhof der Sultane von Sansibar direkt nebenan. Und dann sollte man auch eine der Gewürzplantagen im Zentrum der Insel besuchen und dort Vanille und Gewürztee einkaufen.
Friedrich Klütsch,
lebt und arbeitet in München als Dokumentarfilmer. Für das ZDF wirkte er als Regisseur u.a. an den Reihen »Terra X Expedition« und »Die Deutschen« mit. 2013 zeichnete er in Kooperation mit forum zenith für den Dokumentationsfilm »Diktatur bewältigen« über den Umgang mit Vergangenheit in Ägypten und Tunesien verantwortlich.
Für den Oman ist eine Gesamtschau der eigenen Geschichte sicher ein Politikum. Immerhin verdankten die Sultane dem Sklavenhandel einen Großteil ihres Reichtums. Historischen Reiseberichten zufolge überschattete das Klagen der Gepeinigten auf dem Sklavenmarkt von Stonetown jahrzehntelang die pittoreske Kulisse. Sind Sie beim Umgang mit diesem Thema in Ihrer Dokumentationsreihe völlig frei?
Wir halten uns an die historischen Fakten. Und die besagen, dass die Omaner vor allem als Spediteure am Sklavenhandel mitverdient haben. Das bestreitet auch in Oman niemand. Als Europäer – und Amerikaner – sitzt man bei diesem Thema aber mit auf der Anklagebank. Dennoch ist es den Europäern gelungen, die historische Verantwortung an der Sklaverei in Ostafrika vor allem den Arabern in die Schuhe zu schieben.
Im Verhältnis zwischen Europa und Afrika ist das Thema nach wie vor brisant und sorgt auch immer wieder für Forschungskontroversen. Gibt es seitens der Omaner eigentlich Interesse und Initiativen zur Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte mit Afrika?
Das wird noch etwas dauern. Was es bereits gibt – und das wird auch Bestandteil des dritten Films in unserer Reihe – ist eine Wiederannäherung zwischen Tansania und dem Sultanat Oman. Das ist der erste Schritt. Der letzte Sultan von Sansibar wurde ja in den 1960er Jahren gewaltsam abgesetzt und vertrieben. Mehrere tausend Araber und Inder wurden in der Revolution getötet und ihr Eigentum konfisziert. Eines dieser Entwicklungsprojekte, mit dem die Wiederannäherung gelingen soll, nennt sich Istiqama. In Tungu auf Sansibar betreibt die Stiftung einen Campus für 500 Schüler. Demnächst wird dort auch mit Mitteln aus Oman ein College entstehen.
»China brauchte Kupfer, Datteln, Aloe – und mutige Leute, die chinesisches Porzellan an den Kalifenhof in Bagdad brachten«
Jetzt mal aus der Sicht des Filmemachers: Welche ist Ihre persönliche Lieblingsstory aus einigen Jahrhunderten omanischer Geschichte?
Als Filmemacher und Hobby-Segler begeistern mich die omanischen Seefahrergeschichten. Etwa die von Abu Ubayda al-Qassim, der es im 8. Jahrhundert von einem Bergdorf in Zentraloman bis nach Kanton in China schaffte. Die wussten eben schon mit dem Monsun umzugehen, als man in Europa noch nicht einmal vom Seeweg nach Indien träumte.
Was hatte der gute Mann denn in China zu erledigen?
China brauchte Kupfer, Datteln, Aloe – und mutige Leute, die chinesisches Porzellan an den Kalifenhof in Bagdad brachten, als die Seidenstraße zu gefährlich war. Abu Ubayda hat sich in China dann auch als Händler niedergelassen.
Das heißt, dass Sie für eine Filmreihe über omanische Geschichte bis nach China reisen müssen?
Aber sicher. Die Dreharbeiten auf Sansibar und Pemba sowie in Oman sind abgeschlossen. Lissabon und London sind ebenfalls bereits im Kasten. Es fehlen noch der Studiodreh in China, das Belitung-Wrack in Singapur und jede Menge Segelaufnahmen, die wahrscheinlich auf Malta entstehen werden.
Was hat es denn mit einem Wrack in Singapur auf sich?
Das nach seinem Fundort an der Küste Sumatras benannte Wrack hatte mehr als 60.000 Stück chinesisches Porzellan an Bord, als es Anfang des 8. Jahrhunderts sank. Die afrikanischen und indischen Hölzer, die bei seinem Bau verwendet wurden, lassen darauf schließen, dass das Schiff in Oman oder Jemen gebaut wurde.
»Mit einem Christen durchzubrennen und dann noch zu konvertieren wäre für eine Muslima, dazu eine so prominente, noch heute ein Politikum«
Im Jahr 1866 floh die omanische Prinzessin Salme mit ihrem deutschen Geliebten Rudolph Ruete, einem Hamburger Kaufmann, aus Stonetown nach Deutschland. Eine Entführung aus dem Serail, die damals orientalistische Fantasien beflügelte. Salme, die später Emily Ruete hieß, war zum Zeitpunkt ihrer Flucht offenbar schwanger. Wie gedenken die Omaner heute dieser – nicht ganz unumstrittenen – aber berühmten Frau?
Sayyida Salme war bis vor wenigen Jahren in Oman tabu. Dass wir ihre Geschichte, eingebettet in den Machtkampf ihrer Brüder – ein ewiges Problem in der Geschichte Omans – nun mit Einverständnis der Omaner in einem der Filme thematisieren dürfen, ist ein gutes Zeichen.
Warum tabu?
Mit einem Christen durchzubrennen und dann noch zu konvertieren, wäre für eine Muslima, dazu eine so prominente, noch heute ein Politikum. Damals war es unvorstellbar. Ihre Brüder haben ihr nie verziehen und sie enteignet. Inzwischen ist bei manchen unserer omanischen Gesprächspartner so etwas wie stolz über Salme zu spüren. Immerhin ist sie die erste Araberin, die ihre Autobiografie veröffentlicht hat. Noch dazu in einer fremden Sprache, nämlich Deutsch.
Was hat Sie bei den Dreharbeiten überrascht, wo waren Sie verzweifelt, was für Wendungen des Schicksals im Leben eines Regisseurs gab es?
Wer Oman kennt, weiß, dass schweißtreibende Arbeit nicht von Einheimischen erledigt wird. Dafür hat man ja die Expats. Dass uns dann aber die Esel, die die Kupferbarren über die Berge bringen sollten, zunächst auch den Dienst verweigern wollten, hat uns verzweifeln lassen. Gemeinsam haben wir es dann natürlich geschafft. Frappierend sind auch die unterschiedlichen Konzepte von Geschichte. Während die Filmemacher aus Deutschland dabei eher das mehr oder minder freie Spiel der Kräfte am Werke sehen, ist das für gläubige Omaner immer der Wille Gottes. Unser Filmprojekt ist insofern auch ein spannendes Experiment, das auch auf ein Entgegenkommen beider Seiten angewiesen ist.
Wer hat sich das Projekt eigentlich ausgedacht und wer trägt die Verantwortung dafür?
Verantwortlich für die Filmreihe zeichnet die »Al Salimi Foundation« in Bidiyah, die auch die älteste Bibliothek im Oman betreibt. Die Initiative für eine filmische Aufarbeitung von Epochen aus der omanischen Geschichte ging von Scheich Abdullah Al Salimi aus, dem Direktor der Stiftung. Die Wahl der Episoden und Personen hat man uns überlassen: Das Autorenteam besteht aus zwei Omanern, die in Deutschland studiert haben – Mohammed al-Mamari und Juma al-Maskari – und zwei Deutschen. Das sind der Künstler und Oman-Reiseveranstalter Georg Popp und ich.
Wann hat das Werk Premiere und in welchem Rahmen wir es zu sehen sein?
Die Erstaufführung wird nächstes Jahr am Nationalfeiertag, dem 18. November 2015, in Maskat stattfinden. Die Filmreihe wollen wir aber weltweit vermarkten.