Najla Al-Mangoush ist nicht nur erste Außenministerin Libyens, sondern auch Konfliktforscherin. Ob sie die auch lösen kann?
Auf echte politische Führung haben die Menschen in Libyen lange gewartet. Eine Regierung, in der Frauen eine relevante Rolle spielen, war ebenso dringend nötig. Mit Najla Al-Mangoush als Außenministerin der vom Parlament am 10. März 2021 gewählten libyschen Einheitsregierung sind deshalb gleich zwei wichtige Meilensteine erreicht. Erstens hat Libyen seit über fünf Jahren zum ersten Mal wieder eine Regierung, die das Potenzial hat, das Land zusammenzubringen, und zweitens sind fünf Ministerinnen Teil der neuen Administration.
Das Amt der Außenministerin ist eine Schlüsselposition im Kabinett des designierten Premiers Abdul Hamid Dbeibeh. Auch deshalb wird die 49-Jährige vermutlich noch mehr Druck spüren als ihre männlichen Kollegen. Druck, die ökonomische Lage in Libyen zu verbessern, Akzeptanz für die Einheitsregierung im In- und Ausland zu erzeugen, aber am wichtigsten, das Land auf die Wahlen im Dezember vorzubereiten.
Auch von internationaler Seite sind die Erwartungen groß – das Auswärtige Amt in Berlin betonte in seiner Glückwunschnote explizit, dass man sich auf die Zusammenarbeit mit der neuen libyschen Außenministerin freue.
Auch unter libyschen Politikerinnen, Aktivistinnen und Analystinnen herrscht Freude. »Diese Wahl öffnet Möglichkeiten für andere libysche Frauen, in ähnliche Positionen zu gelangen«, glaubt etwa Lamis Ben Saad, Frauenrechtsaktivistin und Mitglied der UN-Teams für die Friedensverhandlungen in Libyen. »Die Ministerinnen sind Vorbilder. Wir haben lange genug dafür gekämpft«, betont Hala Bugaighis, Anwältin und Gründerin des auf Frauenrechte spezialisierten Thinktanks Jusoor.
Najla Al-Mangoush stammt aus der Hafenstadt Benghazi, die als Ausgangspunkt des Aufstands gegen das Gaddafi-Regime 2011 weltweit bekannt wurde. Die Juristin und neue Außenministerin selbst war während der Anfänge der libyschen Revolution Teil des Nationalen Übergangsrats, mit besonderem Augenmerk auf zivilgesellschaftliche Initiativen. In diesem Kontext brachte sie Vertreter der Zivilgesellschaft und Entscheidungsträger in Seminaren zusammen, die sich mit friedlicher Konfliktlösung befassten.
Der neuen Außenministerin bleibt wenig Zeit, um politisch zu punkten, aber zumindest hat sich die Übergangsregierung ein sehr konkretes Ziel gesetzt
Eine Fähigkeit, die die neue Außenministerin im Zuge ihres Studiums in Konfliktanalyse und -beilegung an der US-amerikanischen George-Mason-Universität erworben hat. Später war Al-Mangoush für das United States Institute of Peace tätig. Diese Expertise wird die Mittfünfzigerin in ihrem neuen Amt gut gebrauchen können, denn nicht nur wiederkehrende interne Konflikte plagen Libyen, auch externe Akteure, beispielsweise die Türkei, Russland, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate, mischen im Ringen um die Zukunft des nordafrikanischen Landes mit.
Klar ist, dass eine positive Entwicklung in Libyen von Libyern geführt, aber gleichzeitig die Vielschichtigkeit der Konfliktlösung angegangen und verstanden werden muss. Für die Politikerin Mangoush wird deshalb vor allem der Aufbau eines guten Verhältnisses zur US-Regierung wichtig – bis heute gilt, dass Druck aus Washington stabilisierend in Libyen wirken kann. Mangoush, die 2013 zum Studium in die USA zog und seither mit diversen amerikanischen Institutionen zusammenarbeitete, kann dabei eine zentrale Rolle spielen.
Doch die Wahl Mangoushs kann nur ein Anfang sein. In Libyen brauche es tiefergehende Reformen, um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, »sämtliche wirtschafts- bis sicherheitspolitischen Programme müssen sich anpassen und endlich auch Frauen mitdenken«, fordert Bugaighis.
Denn die Integration von mehr weiblichen und auch jungen Stimmen in die Einheitsregierung hatten die UN als federführender internationaler Akteur bei der Regierungsbildung vorgegeben. Mit fünf von 35 Ministerposten sind Libyens Frauen in der Regierung aber weiterhin unterrepräsentiert – und erfüllen auch nicht den ursprünglichen Anspruch eines 30-Prozent-Proporz, der nun über stellvertretende Ministerposten erreicht werden soll.
Die Einheitsregierung soll nur bis zu den geplanten Wahlen am 24. Dezember 2021 im Amt bleiben und danach durch eine vom libyschen Volk gewählte Regierung abgelöst werden. Das lässt kaum Spielraum, um politisch zu punkten. Aber zumindest hat sich die Übergangsregierung ein sehr konkretes Ziel gesetzt – bei vielen Beobachtern und vor allem den Menschen in Libyen schwingt auch die Hoffnung mit, dass der Einheitsregierung dabei nicht viel Zeit bleibt, um sich in interne Streitereien zu verstricken.