Er soll den Mord an Jamal Khashoggi überwacht haben und galt als rechte Hand von MBS. Kommt Saud Al-Qahtani noch mal zurück?
Mr. Hashtag«, »Herr der Fliegen« – Saud Al-Qahtani, die ehemalige rechte Hand des Kronprinzen Muhammad Bin Salman (MBS), hat viele Spitznamen. Unter dem Pseudonym »Dhari« (auf Deutsch etwa »stark«, »heftig«) schrieb er bereits als Jüngling patriotische Artikel und erbauliche Gedichte.
Als Mittzwanziger begann Qahtani Anfang der 2000er Jahre seinen Aufstieg im Beamtenapparat. Sein Auftrag: positive Darstellung des Königreichs im Internet. Wie gemacht für den studierten Juristen und früheren Soldaten der Luftwaffe: Auf seinem privaten Blog hatte er lyrisches Talent und nationale Gesinnung unter Beweis gestellt.
2009 trat er »Hack Forums« bei – einer Plattform für Datensicherheit. Gleich nach der ersten Anmeldung wurde Qahtani erst einmal von einem anderen Nutzer gehackt. Und er hinterließ für immer Spuren.
So konnten WikiLeaks und das Recherchekollektiv Bellingcat belegen, dass der Saudi 2014 nach Bespitzelungsprogrammen (»Trojaner«) für Mac-Computer suchte. In dieser Zeit eroberte Twitter das Königreich. Auch MBS nutzt das neue Werkzeug strategisch. 2015 befördert der damals noch stellvertretende Kronprinz den Digital-Fachmann Qahtani in den Rang eines Ministers und Beraters bei Hof.
Donald Trumps Wahlsieg 2016 bietet MBS und seiner Entourage eine einmalige Gelegenheit: Saudi-Arabien kauft US-Waffen für Milliarden und MBS wird von Trump hofiert. Zugleich räumt er ziemlich offen und aggressiv seine Gegner aus dem Weg.
Ende 2019 spricht ihn ein saudisches Gericht in allen Anklagepunkten frei. Seitdem war es ruhig geworden um Saud Al-Qahtani
Qahtani kämpft für ihn auf Twitter: Im August 2017 versieht er echte oder vermeintliche Gegner der saudischen Politik mit dem Schlagwort »Verräter«. Wer auf seine schwarze Liste gerät, hat eine Armee aus Trollen und computer-gesteuerten Accounts am Hals: »elektronische Fliegen«, daher einer seiner Spitznamen.
Bald ist Qahtanis Arbeit nicht nur virtuell: MBS macht ihn zum Leiter der »Schnellen Eingreiftruppe« gegen Dissidenten. Im März 2018 soll diese mit der Entführung der Frauenrechtsaktivistin Loujain Al-Hathloul beauftragt worden sein. Hathloul wird erst aus den benachbarten VAE verschleppt, dann bis zum Februar 2021 wiederholt inhaftiert.
Ihre Schwester Lina klagt im Gespräch mit zenith Qahtanis Rolle an: Ohne seine Identität zu verschleiern, habe dieser die Folterung der jungen Frau beaufsichtigt, sie sexuell belästigt, ihr mit Vergewaltigung und Mord gedroht.
Am 2. Oktober 2018 dirigiert Qahtani dann offenbar per Skype ein Mordkommando im saudischen Konsulat in Istanbul: ein 15-köpfiges Team tötet und zersägt den saudischen Journalisten Jamal Khashoggi. US-Geheimdienstinformationen aus den USA und Recherchen türkischer Medien belasten Qahtani schnell. Wenige Wochen später gibt MBS dem Druck nach und feuert ihn.
Ende 2019 spricht ihn ein saudisches Gericht in allen Anklagepunkten frei. Seitdem war es ruhig geworden um ihn; MBS nahm den Schlächter aus der Schusslinie. Zumindest vorerst.
Lina Al-Hathloul verweist auf Kampagnen, die seit längerem darauf abzielen würden, Qahtani zu rehabilitieren. Im August veröffentlichte ein saudischer Influencer ein Foto mitsamt eines Gedichts Qahtanis, Gerüchten zufolge sei er auch wieder im Königspalast gesehen worden. »Ich werde ein treuer Diener meines Landes sein. Für alle Ewigkeit«, so lautete damals, 2018, sein vorläufiger Abschiedstweet.