Sudans neue Außenministerin trägt einen Namen mit großer Vergangenheit. Jetzt muss sie beweisen, dass sie auch Zukunft kann.
Die Ernennung einer Außenministerin, knapp zwei Jahre nach dem Umbruch, der dem prodemokratischen Aufstand folgte, klingt wie eine echte Erfolgsgeschichte. Mariam Al-Sadiq Al-Mahdi ist die zweite, wenngleich ungleich prominentere Frau in dieser Position – eine Tatsache, die ihre Karriere dann auch weniger wie eine feministische Errungenschaft wirken lässt, sondern vor allem etwas über das Erbe ihres Vaters und dessen Vater erzählt.
Die Ernennung der 56-Jährigen im Februar 2021 ist Teil einer Kabinettsumstellung – weg von einer technokratischen Übergangsregierung, hin zu einer genuin politisch besetzten Führungsriege. Ihre Nominierung steht auch sinnbildlich für die Karriere von Mariam Al Sadiq. Denn die studierte Ärztin ist genau wie ihr Vater ein Darling der internationalen Gebergemeinschaft – und damit die ideale Besetzung für dieses wichtige Amt. Angesichts der Abhängigkeit von auswärtigen Hilfsgeldern ist es also keine gänzlich überraschende Entscheidung.
Mariam Al-Sadiqs politische Karriere lässt sich in zwei Phasen unterteilen: Vor dem Tod ihres Vaters, der im November 2020 an den Folgen einer Corona-Infektion verstarb, und danach. Es ist die Geschichte eines Kampfs um die Anerkennung des politischen Einflusses, den der große Familienname mit sich bringt.
Sadiq Al-Mahdi (1935–2020), Mariams Vater, war in den 1960er und den 1980er Jahren Premierminister, nach dem Putsch 1989 war er als Vorsitzender seiner »Nationalen Umma-Partei« (NUP) der wichtigste Oppositionelle des Landes. Zugleich war er der Imam der Ansar, jenes Sufi-Ordens, der von seinem Urgroßvater gegründet wurde: Muhammad Ahmad, besser bekannt als der Mahdi, hatte den Briten in den 1880er Jahren die Stirn geboten. Bis heute gehört der Mahdi-Aufstand zu den Gründungsmythen Sudans, die Nachkommen des Mahdi profitieren auch politisch von der Aura ihres Ahnen.
Mariam Al-Sadiq ist die Tochter der zweiten Frau von Sadiq Al-Mahdi, das dritte von zehn Kindern. Dennoch schafft sie es, sich gegen ihre Geschwister durchzusetzen und zur engsten Vertrauten ihres Vaters aufzusteigen. Mut bewies sie später auch in der – nicht immer fundamentalen – Opposition zum Regime von Omar Al-Baschir. Eine Rolle, in der sie vor allem als stellvertretende NUP-Vorsitzende brillierte. Bereits 2007 spricht sie zum ersten Mal davon, Außenministerin werden zu wollen.
Es ist ein Amt, das ihr unter Baschirs Herrschaft versagt bleibt und sie damals wohl auch wie eine Handlangerin des Regimes hätte wirken lassen. Die deutlich bessere Gelegenheit bietet sich Al-Sadiq im Dezember 2018, als sie im entscheidenden Moment aus dem Schatten ihres Vaters tritt. Während der greise Patriarch zaudert, stellt sie sich hinter die Protestbewegung, die fünf Monate später zur Absetzung Baschirs führt.
Mariam Al-Sadiq war und ist nicht Teil des politischen Wandels im Sudan. Dennoch wird sie wohl stark von ihm profitieren
Der Tod ihres Vaters beeinfluss auch Al-Sadiqs Karriere. Ihr Weg hin zu höchster politischer Anerkennung müsste nun eigentlich über Führungspositionen sowohl in der Partei als auch in der Übergangsregierung führen. Es gibt nur ein Problem: Anders als ihr Vater kann sie als Frau weder den Ansar vorstehen noch die Führung der NUP übernehmen.
Die Partei steht damit vor dem Problem, geeignete Nachfolger zu finden: Denn Mariam Al-Sadiqs Brüder sind durch ihre Verstrickungen mit dem Baschir-Regime schwer belastet. Abdulrahman durch seine Arbeit im Militär, Siddiq als Teil des verhassten Geheimdienstapparats. Ein komplexes politisches Szenario, in dem die Partei nur verlieren kann.
Al-Sadiqs politische Standpunkte und ihr Geschlecht werden ihre Arbeit als Außenministerin erschweren. Die strikte Ablehnung ihrer Partei gegen die Normalisierung der Beziehungen zu Israel waren ein erster Härtetest, ist sie doch für die Ausgestaltung der sudanesisch-israelischen Beziehungen verantwortlich.
Es ist Ausdruck sowohl ihres Machtwillens als auch ihres Pragmatismus, dass sie den Widerstand gegen die Normalisierung rasch aufgab und sich nun deutlich flexibler zeigt. Gleichzeitig muss sie aufpassen, dass ihr das Militär nicht den Rang abläuft. So etwa bei den Verhandlungen um die Wasserverteilung, die der Bau der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre in Äthiopien nach sich zieht.
Als Frau wird Mariam Al-Sadiq sich in der neuen Regierung besonders beweisen müssen. Doch auch hier gilt: Identität ist intersektional. Die Politikerin ist also nicht nur eine Frau, sondern eben auch die Tochter ihres prominenten Vaters, gut ausgebildet und Teil der Elite des Landes.
Und ihr politischer Aufstieg vollzieht sich im Kontext einer gerade erst entstehenden liberalen Demokratie, in der der Stellenwert feministischer Überzeugungen noch nicht klar zu verorten ist. Zentral für ihre politische Karriere ist also, dass oft unklar scheint, welche Entscheidungen sie bewusst trifft und welche ihr aufgezwungen werden.
Mariam Al-Sadiq war und ist nicht Teil des politischen Wandels im Sudan. Dennoch wird sie wohl stark von ihm profitieren. Da sie sich nie ernsthaft von den politischen Positionen ihres verstorbenen Vaters emanzipiert hat und deshalb dessen kompliziertes Erbe zu verwalten hat, ist sie am Ende wohl nicht mehr als eine Platzhalterin auf höchster politischer Ebene. Und zwar so lange, bis der Sudan eine Generation von Politikerinnen hervorbringt, die in der Lage sind, elitäre und parteipolitische Dünkel zugunsten einer inklusiven und basisorientierten Politik hinter sich zu lassen.