Am 3. Juni 2019 massakrieren bewaffnete Sondereinheiten der sudanesischen Regierung hunderte Demonstranten. Wut und Verzweiflung der Revolutionäre sind bis heute ungebrochen. Können sie das Land in eine friedlichere Zukunft führen?
»Wie jede Nacht im Ramadan, habe ich gemeinsam mit den anderen Revolutionären das Essen zum Fastenbrechen bei Sonnenuntergang vorbereitet,« sagt Tawdia und blickt dorthin, wo während des Sitzstreiks vor einem Jahr eine provisorische Küche errichtet worden war. »Danach ging ich nach Hause. Jeden Augenblick dieser Nacht habe ich genossen. Ich wusste nicht, dass es meine letzte dort sein würde.« Die 25-jährige Laborärztin pendelt die letzten anderthalb Jahre zwischen Krankenhaus und der Revolution.
Tawdias Augen strahlen, doch die Erinnerung an den Sitzstreik, nicht weit entfernt von der Nile Street in Sudans Hauptstadt Khartoum, treiben ihr Tränen in die Augen. In dieser Nacht kam ihr Freund Abbas nicht heim.
Abbas hatte es sich in den letzten Monaten angewöhnt, die Nacht bei den Zelten der Streikenden zu verbringen. »Das war die beste Zeit meines Lebens«, erinnert er sich an das Zeltlager, direkt vor dem Qiyyade al-‘Amme, dem Hauptquartier der sudanesischen Armee. »Es war auch der schönste Ramadan, der Ort wurde zu meinem zweiten Zuhause«, fügt er hinzu. Bis zu dieser Nacht des 3. Juni 2019.
»Es geschah zwischen zwei und drei Uhr in der Nacht. Eine Meldung machte die Runde der Demonstranten. Bewaffnete Gruppen hatten die Demonstranten umzingelt und würden sich darauf vorbereiten, sie zu vertreiben. Ich glaubte den Gerüchten nicht, schenkte ihnen keine Beachtung. Dann wurde es Zeit für das Morgengebet. Wir knieten nieder und standen auf – dann ändert es sich alles.«
Der 22-jährige Student Abbas wurde in dieser Nacht zum Zeugen eines Massakers, in dem hunderte friedliche Demonstranten ermordet und verletzt wurden. Die Überlebenden machen die so genannte Rapid Support Force (RSF) für die Planung und Durchführung des Anschlags verantwortlich. Die RSF sind eine paramilitärische Gruppe unter der Führung von Mohammed Hamdan, genannt Hemeti – die Bewaffneten in dieser Nacht trugen ihre Uniform.